Jeremy Anagnos, Portfolio Manager der Nordea Global Listed Infrastructure Strategie, spricht über den starken Rückenwind für diese Anlageklasse

Unternehmen, die die „New Economy“ verkörpern, stehen seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie vor mehr als einem Jahr ganz oben auf der Liste der Investoren. Während Aktien wie Netflix, Zoom und Peloton die Fantasie der Anleger weltweit beflügelten, wurde um die Unternehmen in essenziellen Wirtschaftszweigen – wie Wasser-, Gas- und Stromversorger – weit weniger Wirbel gemacht. Aber das könnte sich bald ändern. Als Reaktion auf den durch die Pandemie verursachten starken Abschwung planen Regierungen rund um den Glo-bus, in den kommenden Monaten und Jahren verstärkt in Infrastruktur zu investieren. So will die neue US-Regierung unter Präsident Joe Biden einen milliardenschweren Infrastrukturplan auf den Weg bringen, um eine „widerstandsfähigere und nachhaltigere Wirtschaft“ aufzubauen. Auch die Europäische Union (EU) hat im Rah-men ihres Covid-19-Konjunkturpakets nachhaltige Infrastrukturausgaben angekündigt; China und Japan haben ebenfalls Zusagen gemacht.
 
Schon vor der Pandemie gab es Rückenwind für die Infrastruktur. Um Wachstum und Entwicklung sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellenländern zu unterstützen, schätzte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) den weltweiten Bedarf an Infrastrukturinvestitionen bis 2030 auf jähr-lich 6,3 Billionen US-Dollar. Tatsächlich ist der börsennotierte Infrastrukturbereich eine der am schnellsten wachsenden globalen Anlageklassen: Der Marktwert des Universums ist von rund 400 Milliarden US-Dollar im Jahr 1995 auf derzeit 4,2 Billionen US-Dollar gestiegen. Getrieben wurde das Wachstum von Regierungen, die den Privatsektor mehr und mehr beteiligt haben. Nordea Asset Management ist gut positioniert, um weiterhin von diesen Trends zu profitieren, und zwar durch den Nordea 1 – Global Listed Infrastructure Fund, verwaltet vom Immobilienspezialisten CBRE Clarion Securities. Das globale Investmentteam des Unternehmens, das auf börsennotierte Infrastruktur spezialisiert ist, leitet Jeremy Anagnos. Es besteht aus acht Fachleuten mit im Durchschnitt 19 Jahren Branchenerfahrung.
 

Mehrjähriges Wachstum durch Dekarbonisierung

Wenn die Welt die Pandemie überwunden hat, ist Anagnos optimistisch, was die Aussichten für börsennotierte Infrastruktur angeht – insbesondere im Bereich Dekarbonisierung. „Die Energiewende erfordert erhebliche Investitionen in alternde Anlagen und das Stromnetz. Es wird prognostiziert, dass die Investitionen von 2020 bis 2030 jährlich um 50 Prozent steigen, was sich in attraktiven Gewinnen und Dividenden niederschlagen dürfte“, so seine Einschätzung. „Für viele Infrastrukturunternehmen, insbesondere Versorger, ist Dekarbonisierung ein wichtiges Thema. Viele betreiben noch alte und teure Kohlekraftwerke, die durch immer billigere erneuerbare Energien ersetzt werden können. Innovationen treiben auch Investitionsmöglichkeiten in Batteriespeicher, intelligente Zähler und Netzeffizienz voran.“

Anagnos glaubt, dass der Versorgungssektor derzeit der attraktivste der vier Hauptbereiche der börsennotierten Infrastruktur ist, in den Investitionen mehr lohnen als in Kommunikation oder Transport. „Traditionelle, regulierte Versorgungsunternehmen, denen die Leitungen und Masten gehören, werden zunehmend integriert. Sie bauen und besitzen Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, investieren in Batteriespeichertechnologie oder intelligente Stromzähler“, sagt Anagnos. „Die Versorger investieren auch in das Stromnetz. Ursprünglich war das Netz so ausgelegt, dass Strom ausschließlich in eine Richtung transportiert werden konnte, aber mit der steigenden Nutzung von Solarzellen auf Häusern besteht die Möglichkeit, dass Strom auch von Verbrauchsstellen ins Netz gespeist wird. Um dies zu ermöglichen, muss das Netz modernisiert und gefestigt werden. Die integrierten Versorgungsunternehmen, auf die wir abzielen, wie der italienische Konzern Enel, erleichtern den Übergang. Solche Innovationen sind entscheidend, damit die Gesellschaft die Wende zu einer Zukunft mit sauberer Energie schafft.“

Innerhalb des Kommunikationsbereichs setzt Anagnos vor allem auf Datenzentren. Diese verzeichnen aufgrund des rasanten Wachstums von Webinhalten und sozialen Medien eine steigende Nachfrage, sind allerdings oftmals von klassischen Infrastrukturindizes ausgeschlossen. Der Ansatz des CBRE-Clarion-Securities-Teams ist hingegen uneingeschränkt, nutzt also alle verfügbaren, attraktiven Infrastrukturmöglichkeiten. „Wir haben lange Zeit in Masten und Glasfasernetze investiert, aber entscheidend für die Erleichterung des Datentransports sind die Rechenzentren. Nicht alle Datenzentren weisen die Eigenschaften von Kerninfrastruktur auf, aber wir haben einige globale Namen gefunden, die im gesamten Netzwerk zentral sind und langfristige Wachstumsperspektiven haben, da wir zunehmend in einer virtuellen Umgebung arbeiten“, erklärt Anagnos. „Den Indizes fehlt es oft an Konsistenz, wenn es um Infrastruktur geht, sodass Rechenzentren mitunter in Bereiche wie Telekommunikation oder Spezial-REITs fallen. Die größten institutionellen Investoren der Welt investieren in Datenzentren innerhalb der Kerninfrastruktur – das ist auch unsere Haltung.

Bewertung mit dreifachem Abschlag

Bei steigender Volatilität am Aktienmarkt haben börsennotierte Infrastrukturwerte in der Vergangenheit zugleich einen Schutz vor Abwärtsbewegungen und eine Outperformance geboten. Im Jahr 2020 war das nicht der Fall, da die Pandemie den Sektor in wirtschaftssensitiven Bereichen herausforderte. Dennoch meldete die Mehrheit der wesentlichen Sektoren der Infrastruktur seit dem Ausbruch von Covid-19 relativ stabile Erträge. Hinten lagen beispielsweise die Flughäfen. Viele von ihnen mussten die Dividenden kürzen, angesichts des beispiellosen Rückgangs des Verkehrsaufkommens um 80 bis 90 Prozent. Auch Midstream-Unternehmen, die auf Ferntransport und Aufbereitung von Öl und Gas spezialisiert sind, waren vom starken Rückgang des Kraftstoffbedarfs durch die Reisebranche sowie von der allgemein geringeren Wirtschaftsaktivität betroffen. In der Folge weist globale börsennotierte Infrastruktur einen dreifachen Abschlag auf:

  • im Vergleich zu börsennotierten Aktienmärkten: Abschlag von fünf Prozent gegenüber globalen Aktien bei einer langfristigen Prämie von zehn Prozent. Anagnos erwartet allerdings nicht, dass die Performance noch lange von den anhaltend robusten Fundamentaldaten abgekoppelt bleibt: „Relativ zu globalen Aktien notieren börsennotierte Infrastrukturwerte nahe den größten Abschlägen seit der globalen Finanzkrise. Widerstandsfähigkeit der Erträge und die Stabilität der Cashflows sind vorhanden, aber der Markt war auf andere Bereiche des Aktienmarktes fixiert, insbesondere die wachstumsstarken Tech-Titel.“
  • im Vergleich zu privaten Märkten: „Darüber hinaus werden Infrastruktur-Assets an den Märkten mit Abschlägen von mehr als 20 Prozent gegenüber privaten Marktwerten gehandelt. Privates Kapital, das darauf wartet investiert zu werden, verzerrt die Bewertungen“, beobachtet Anagnos. „Das Mergers &-Acquisitions-Potenzial für börsennotierte Anlagen sollte ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden, da der börsennotierte Bereich für institutionelle Investoren attraktiver wird – insbesondere angesichts der niedrigen Bewertungen und der knappen Verfügbarkeit ähnlicher Anlagen auf privaten Märkten.“
  • im Vergleich zum Rentenmarkt: Während die Renditen von Unternehmensanleihen in den letzten Jahren gesunken sind, sind die Dividendenrenditen börsennotierter Infrastrukturunternehmen stabil geblieben. Der relative Renditeabstand zwischen globaler Infrastruktur und Anleihen liegt deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.

Schutz vor Reflation-Trades

Darüber hinaus weist Infrastruktur Eigenschaften auf, die Vermögenswerten eine längerfristige Entwicklung ermöglichen. „Knapp über 80 Prozent der Anlagen, die den Unternehmen in unserem Universum gehören, können Preissteigerungen explizit oder implizit an Endverbraucher weitergeben, etwa über Mautgebühren oder Tarife“, erklärt Anagnos. „Das kann einen Großteil der Auswirkungen eines Anleiherenditen-Anstiegs ausgleichen, zu erwarten bei einem Anziehen der Inflation.“ Oft wird angenommen, dass die starke Performance von börsenno-tierten Infrastrukturwerten in den letzten 20 Jahren gegenüber Aktien generell auf sinkende Anleiherenditen zu-rückzuführen sein muss. Richtig ist: Die starke langfristige Erfolgsbilanz von börsennotierten Infrastrukturwer-ten basiert auf einem schnelleren Gewinnwachstum im Vergleich zu Aktien im Allgemeinen und nicht auf einer relativen Ausweitung der Kurs-Gewinn-Verhältnis- oder EV/ EBITDA-Multiplikatoren. „Das macht uns zuver-sichtlich, was die Aussichten für die Anlageklasse in den nächsten Jahren angeht, fast unabhängig von der Entwicklung der Inflation und der Anleiherenditen.“

Infrastruktur und Nachhaltigkeit

Schließlich erwartet Anagnos, dass der börsennotierte Infrastrukturbereich Nutznießer der starken globalen Investorennachfrage nach nachhaltigen Anlagelösungen sein wird. „Börsennotierte Infrastruktur unterstützt viele der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele. Und ESG-Fonds suchen zunehmend nach Investitionen in Themen, die für die Anlageklasse von zentraler Bedeutung sind, wie Dekarbonisierung und sauberes Wasser“, so Anagnos. „Infrastrukturunternehmen können positive soziale, ökologische und ökonomische Effekte erzielen – etwa, indem sie zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen, benachteiligte Gebiete revitalisieren und den Zugang zu Dienstleistungen verbessern.“ In diesem Zusammenhang wurde beschlossen, jegliches Engagement im Midstream-Sektor aus dem Fondsportfolio zu entfernen. Investments des Fonds in diesen Sektor wurden in den letzten Jahren schrittweise von 20 Prozent auf vier Prozent zu Beginn 2021 reduziert. „Infrastruktur ist ein kom-plexes System, entwickelt aber als solches eine gewisse Schönheit – gerade wenn man bedenkt, dass sie die Grundlage jeder Volkswirtschaft ist und wirtschaftliche und soziale Entwicklung erst ermöglicht“, resümiert Anagnos.